Erinnerung

 Protokollarische Notizen zu Vorträgen der Internationale Tagung

“Szenische Erinnerung der Shoah”

 in Frankfurt am 16./17. November 2007

Vom 16. und 17. November 2007 fand unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Salomon Korn (Frankfurt) eine internationale wissenschaftliche Tagung zum Thema „ Szenische Erinnerung der Shoah - Blickrichtungen, Dissoziation, Reflexion“ in Frankfurt statt.

In der Einleitung des Programms hieß es, dass die Tagung der interdisziplinären Reflexion von individuellen wie gesellschaftlichen Konflikten, von intergenerativen Prozessen der Dissoziation und Verleugnung sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit Erinnerungskulturen dienen solle.
Initiator und Mitveranstalter war die „Transdisziplinäre Arbeitsgruppe im Sigmund-Freud-Institut (SFI) zu Antisemitismus, Trauma, Tradierung, Identität“. Zu den Veranstaltern gehörten neben dem SFI auch das Internationale Promotionscentrum (IPC) des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften der J.W. Goethe-Universität, das Jüdische Psychotherapeutische Beratungszentrum Frankfurt am Main für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (JBZ). Die Tagung wurde unterstützt vom Fritz Bauer Institut und der Universität Frankfurt und gefördert von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie fand im ehemaligen vom Architekten Poelzig erbauten IG-Farben-Haus statt, in dem vor kurzem die Geisteswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität eingezogen sind.

In seinem einleitenden Vortrag ging der Psychoanalytiker Dr. Kurt Grünberg (Frankfurt) anhand seiner Familiengeschichte auf szenische Erinnerungen Shoah-Überlebender ein. So könne die schützende, helfende Geste, z.B. bei Kälte einen wärmenden Mantel zu erhalten, ermutigen, dem Helfenden schmerzvolle Erinnerungen, wie z.B. den Verlust eines geliebten Pullovers im KZ, zu berichten und damit auch dem Zuhörer die Möglichkeit zu bieten, weiter nachzufragen .
Szenische Erinnerungen werden meist durch nonverbale Äußerungen, durch Mimik und Gestik angeregt, und bieten eine Möglichkeit, das Schweigen über die leidvollen Erfahrungen zu durchbrechen. Dies ist ein Prozeß, der insbesondere auch in der psychoanalytischen Therapie angewendet wird und einen Zugang zum Unbewussten des traumatisierten Patienten darstellen kann, der aber auch im alltäglichen Leben geschieht. Finden keine Gespräche, kein Austausch über die erlebten Traumata statt, können anhand unbewusster Inszenierungen die mit den erlebten Traumata verbundenen Gefühle an die nachfolgenden Generationen weiter transformiert werden und in die Phantasie und Assoziationswelt der Nachgeborenen einwirken, so dass Kinder und Enkelkinder von Shoah-Überlebenden Verfolgungs- und Todesängste erleben können, ohne jemals genaues über das Schicksal der Eltern oder Großeltern erfahren zu haben.

Nach dem Einführungsvortrag folgte ein dichtes Programm aus Vorträgen und parallel stattfindenden Arbeitsgruppen, welche in drei Themenbereiche eingeteilt
waren:
• Generationenübergreifende Auswirkungen der Traumata der nationalsozialistischen Verbrechen auf die Familien der Opfer 
• Generationenübergreifende Auswirkungen der nationalsozialistischen Verbrechen und deren unbewusster Tradierung in Familien von Tätern und Mitläufern.
• die Bedeutung dieser Erlebnisse in transnationalen Kontexten
In den Arbeitsgruppen präsentierten über 20 wissenschaftliche ReferentInnen der Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Geschichte und Psychoanalyse ihre Forschungsergebnisse, die lebhaft diskutiert wurden.
Mit ca. 300 TeilnehmerInnen fand ein intensiver, teilweise sehr emotionaler und offener Austausch statt.

Die Soziologin und Psychoanalytikerin Frau Prof. Ilka Quindeau (Frankfurt) ging in ihrem Vortrag „Spur und Umschrift – individuelle und kollektive Erinnerung aus psychoanalytischer Perspektive“ auf die verschiedenen Erinnerungstheorien ein. Sie meinte, dass Erinnerungen, oder genauer Erinnerungsszenen, dem Menschen helfen, das Erlebte psychisch zu verarbeiten. Auch im Traum kann sich eine szenische Erinnerung widerspiegeln. Kindheitserinnerungen werden durch aktuelle szenische Erlebnisse angeregt und verändern sich dementsprechend im Laufe des Lebens.
Traumatische Erlebnisse führen dann zu nachfolgenden Symptomen, wenn das Trauma nicht verarbeitet werden konnte, wie z.B. bei mangelnder Hilfe, wiederkehrender Traumatisierung oder Verdrängung der Traumatisierung.
Im kulturellen und sozialen Kontext der Bundesrepublik meinte Frau Quindeau, dass die nachfolgenden Generationen nach dem Nazi-Regime eine reflexive Erinnerung benötigen, d.h. eine Erinnerungsarbeit, in der die Ereignisse und die dazugehörenden Phantasien reflektiert werden müssen, um der Geschichte gerecht zu werden.
Sie sprach die Euphorie vieler Deutscher an, sich mit Daniel Goldhagen auseinanderzusetzen. Sie erklärte sich dies damit, dass Goldhagen den „Deutschen“ erst einmal ihre Schuld vorführte, und sie ihnen aber im gleichen Atemzug auch wieder genommen hatte, in dem er den ZuhörerInnen solch ein Verbrechen nicht mehr zutrauen wollte. Frau Quindeau meinte, die Pilgerfahrten zu den Vorträgen von Goldhagen seien ihr wie ein Reinigungsritual erschienen. Dabei fand aus ihrer Sicht eine tiefergehende Reflektion der Verstrickung der eigenen Familie weiterhin nicht statt. Dies zeige sich unter anderem auch daran, wie wenig bis heute der Widerständler des NS-Regimes gedacht werde, denn diese würden ja beweisen, dass man sich hätte anders verhalten können.

Die Kulturtheoretikerin Frau Prof. Christina von Braun (Berlin) setzte diesen Gedanken in ihrem Vortrag „Die „Szene“ des Täters: Die „Inszenierung“ der Schuld als Schutzschild gegen die Erinnerung an das Verbrechen“ fort. Sie benutzte die Metapher der Verschleierung für die Verdrängung der Schuld. So wurden ganz normale Frauen, die KZ-Wächterinnen waren, in den Wochenschauen nach dem Krieg zu sexuell attraktiven Frauen hochstilisiert und verschleiert. Eichmann wiederum versuchte, durch das Klischee des braven Beamten seine Brutalität zu überdecken. Frau von Braun zeigte anhand von antiken Bildern und NS-Dokumenten anschaulich die Verhüllungstaktik und Tabuisierung von Verbrechen. Sprache könne auch verhüllen. Freud wiederum sei mit seiner Methode der Psychoanalyse bemüht gewesen, durch Assoziationen und Verbalisierung der Phantasien, verborgenes Wissen zum Bewusstsein zu bringen und Tabus zu enthüllen. Frau Braun hatte sich auch mit ihrer Familiengeschichte auseinandergesetzt und u.a. das Buch „Stille Post. Eine andere Familiengeschichte“ (2007) geschrieben.

In der Arbeitsgruppe „Nationalsozialismus, Geschlecht, Tradierung“ fanden folgende Vorträge statt:
Die Ethnologin und Soziologin Jeanette Toussaint (Potsdam) zeigte anhand von Interviews mit Töchtern und deren Müttern, die als KZ-Aufseherinnen in Ravensbrück gearbeitet hatten, dass es den Töchtern schwer fiel, sich ein genaues Bild über die Verbrechen der Mütter zu machen. Es wurde deutlich, dass nicht nur die TäterInnen schweigen, sondern auch die Nachkommen lieber gar nicht fragen und mit der verschleierten Vergangenheit scheinbar besser umgehen können.

Die in der Genderforschung tätige Soziologin Konstanze Hanitzsch (Berlin) ging unter der Überschrift „Schamloses Spektakel – „die stinkigste Vergangenheitsbewältigung, die du dir nur vorstellen kannst“ auf den Versuch der Vergangenheitsbewältigung des Journalisten und Sohnes eines NS-Verbrechers Niklas Frank ein. Frau Hanitzsch meinte, dass Niklas Frank die Schuld der Eltern in seinen Büchern „Der Vater“ und „Die Deutsche Mutter“ mit einer monographischen sexistischen Sprache schamlos darstelle, aber nicht richtig frei davon werde, da er letztendlich sich gegenüber den Eltern ähnlich gefühlskalt verhalte wie er es von ihnen erfahren zu haben schien. Mit der Metapher des schwarzen Lochs der Vagina meinte Frau Hanitzsch, dass Frank unbewusst versuche, die Schuld der Eltern zu verdecken.

Ganz anders als Niklas Frank ging die Islamwissenschaftlerin und Journalistin Alexandra Senfft (Kiel), Enkelin eines NS-Verbrechers, mit ihrer Familie, deren Täterschaft im NS-Regime und den darum tradierten Mythen um. Sie hatte ihre Gesichte in dem Buch „Schweigen tut weh – Eine deutsche Familiengeschichte“ (2007) veröffentlicht und erhielt ermutigende wie entwertende Reaktionen darauf. Schon ihr Onkel, Malte Ludin, hatte die Familiengeschichte in dem Film „Zwei oder drei Dinge, die ich von ihm weiß“ (2003) zur Sprache gebracht und dies wurde in der Familie nicht gerne gesehen.
Auffallend war, dass Alexandra Senfft ihre Eltern und Großeltern nicht abwertend darstellte, sondern mit klaren Worten die Taten, Verbrechen und Tabuisierungen benannte und sich kritisch dazu stellte, dabei aber den Respekt vor den einzelnen Menschen nicht verlor.
Frau Senfft nannte 10 Themenstränge, die sie in das Buch eingearbeitet hatte:
1.Die Frage nach der Verantwortung
2.Schuld und Schuldgefühle und die Sehnsucht nach der kindlichen
Unschuld.
3.Täter und Opfer und die Selbstwahrnehmung der Täter als Opfer.
4.Loyalitäts- und Komplizenschaft innerhalb der Familie.
5.Umgang mit dem Tabu, dass die Großeltern überzeugte Nazis waren.
6.Depression, Sucht und Suizid als Folge der verschwiegenen und
unverarbeiteten Familiengeschichte.
7.Gefühle wie Trauer und Scham und deren Umgang damit.
8.Transgenerationale Aspekte, die Mutter-Tochter-Beziehung und das
Gefühl der Tochter, dass die Mutter das ewige Kind blieb.
9.Sündenbock und Feindbilder, die Suche nach dem Bösen im Anderen –
Schuld sind immer die anderen.
10.Fakten und Fiktion.
Frau Senfft berichtete zum Abschluss, dass sie von ihren Erfahrungen auch in der Schule als Zeitzeugin berichte und dass sie auf Lesungen die Rückmeldungen erhalte, dass sich viele Menschen in den Familienschilderungen wieder finden würden.

Die Psychologin Sakino Mathilde Sternberg (Berlin) verdeutlichte erneut die Tabuisierung in der Familie in ihrem Vortrag „Das Schweigen der Frauen“: Interviews mit drei Frauen aus drei Generationen einer Familie im ländlichen norddeutschen Raum. Wie wird das Schweigen bewahrt, beschützt und weitergegeben?“ mithilfe von Interviewausschnitten. Sie regte das Publikum an, Stellung dazu zu beziehen, was wohl Emotionen aufwühlte, die aber in diesem Rahmen nicht aufgefangen werden konnten.
Sternberg und Senfft leiten zusammen mit Prof. Dan Bar-On das von der Körber-Stiftung unterstützte Projekt „Storytelling in Conflicts“ unter der Leitung von in Hamburg teil.
Der Psychologe und Konfliktforscher Prof. Dan Bar-On (Beer Sheva, Israel), dessen Familie von der Shoah betroffen war, begann als einer der ersten in Israel die psychischen Folgen der Shoah an den Überlebenden und deren Nachkommen zu unterrichten. Später setzte er sich auch mit den Nachkommen von Nazi-Tätern auseinander und initiierte Selbsthilfegruppen in Deutschland. Er entwickelte sein Konzept des vertrauensvollen Dialogs immer weiter, brachte Kinder der Opfer und Kinder der Täter in Gesprächsgruppen zusammen, genannt „To reflect and trust“. Er setzt sich bis heute aktiv mit den Feindbildern innerhalb der israelischen und palästinensischen Gesellschaft auseinander und führt auch hierzu an der Universität Beer Sheva die StudentInnen von beiden Seiten unter mithilfe von KollegInnen aus Neve Shalom (einem Dorf, in dem Muslime, Christen und Juden, bewusst zusammen leben) in Gesprächsgruppen zusammen. Er gründete mit seinem Freund Sami Adwan das Peace Research Institute in the Middle East (PRIME), in dem sie z.B. ein Geschichtsbuch entwickelt haben, in dem die israelische und palästinensische Sichtweise der Ereignisse von 1900 bis 2000 gegenüber gestellt wurde und zur Diskussion anregen sollte. Er legte seine Forschungen in vielen Büchern dar, unter anderem in „Die Last des Schweigens“, „Die anderen in uns“, „Erzähl Dein Leben“ (alle neu aufgelegt von der Körber-Stiftung).
Dan Bar-On erhielt schon viele Auszeichnungen für seine Friedensarbeit, unter anderem 2001 den Alexander Langer Preis und 2003 den Remarque-Preis. Zur Zeit nimmt er eine Gastprofessur in Luzern wahr.
Dan Bar-On begann seinen Vortrag mit dem Titel „Working through the Holocaust in the following generations and in the Palestinian-Israeli context“, den er dann doch auf Deutsch hielt, mit einem „Geständnis“.
Er habe zu Jom Kippur (dem Tag der Versöhnung, September 07) seinen Freund Sami Adwan um Entschuldigung gebeten, für das, was sein Volk (Israel) Samis Volk (den Palästinensern) 1948 kurz vor der Ernennung des Staates Israels angetan habe. Damals hätten die israelischen Untergrundkämpfer Araber aus ihren Dörfern vertrieben, damit es klarere Grenzen für den zu schaffenden Staat Israel geben könne.
Dieses Bekenntnis berührte mich sehr und zeigte mir erneut, wie ein Mensch, der sich wie Dan Bar-On ständig mit der Gegenwart auseinander setzt und die Vergangenheit reflektiert, sein Bild zu sich und der Welt verändern und damit auch Schritte in eine friedlichere Zukunft bewirken kann.
Dan Bar-On meinte, dass er sich auch heute immer wieder die Frage stelle, wie es möglich sei, in dem israelischen Alltag, der geprägt von Angst und Feindseligkeit ist, Worte für den Dialog mit den Palästinensern zu finden.
Damit leitete er über zu dem Leben und Alltag in Deutschland und der aktuellen Tagung, in der auch versucht werde, Worte des Dialogs zwischen den Kindern der Opfer und den Kindern der Täter zu finden. Denn längst war auch auf dieser Tagung die Kluft zwischen beiden Gruppen deutlich geworden. In den Arbeitsgruppen outeten sich viele, zu welche Gruppe sie nun gehörten, aber eine richtige Auseinandersetzung fiel auch in den Workshops und Großgruppen nicht statt, sondern eher wieder ein sich finden der jeweiligen Gruppenmitglieder.
Dan Bar-On meinte, es reiche nicht aus, dass in den Therapien darüber geredet werde, es müsse ein breiteres Angebot der Reflektion geben, wo Menschen, die sich nicht gleich als PatientInnen sehen, angesprochen werden, um über sich und ihre Familie und die Beziehung zur NS-Vergangenheit reflektieren zu können. Dies fehle in Deutschland und seine Gruppe vom Storytellingprojekt würde sich zusammen mit der Körberstiftung überlegen, was da getan werden könnte.
Leider ging in der nachfolgenden Diskussion niemand auf diese Ideen ein, sondern viel interessanter (und auch weiter weg) schien der Israel-Palästina-Konflikt zu sein.

Der Erziehungswissenschaftler Prof. Micha Brumlik (Frankfurt) bezog in seinem Vortrag „Zur Frage einer „deutschen Verantwortung“ in Bezug auf den Israel-Palästina-Konflikt“ klar Stellung, dass Europa und insbesondere Deutschland Israel zur Seite stehen müsse und dem Iran aufgrund seiner Drohungen gegen Israel Sanktionen erteilen sollte.
Deutschland sei nicht für das Leid der Palästinenser verantwortlich, dies sei eine Sache, die Israelis und Palästinenser untereinander angehe. Allerdings bestünde aus Sicht von Brumlik eine moralische Verantwortung des deutschen Volkes gegenüber dem jüdischen Volk.

Der Soziologe und Politikwissenschaftler Prof. Alejandro Baer (Madrid, Spanien, zur Zeit TU Berlin) berichtete unter dem Titel „Erinnerung an die Shoah im gegenwärtigen Spanien - Identifikationen, Vergleiche, Projektionen“ über die ganz andere Wahrnehmung der Spanier, die den Holocaust weniger an der jüdischen Bevölkerung, sondern vielmehr in der spanischen Widerstandsbewegung erlebt haben. Durch das Franco-Regime gab es 1945 keinen Neuanfang. Erst mit dem Sturz des Regimes 1975 begann, auch nicht sofort – weil “Versöhnung das Vergessen forderte“ -, aber dennoch eine Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit. Im Jahre 2000 wurde bundesweit ein Holocaustgedenktag eingerichtet, der seit 2005 auch landesweit gefeiert wird. 

In der Arbeitsgruppe „Reden und Schweigen – Analysen zu autobiographisch- narrativen Erinnerungen und Tradierungsprozessen der Generationen“ stellten DoktorandInnen der Soziologie aus den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Frankfurt ihre Arbeiten dar.
Weitere Themen der Arbeitsgruppen waren „Erinnerung der Shoah aus jüdischen transkulturellen Perspektiven (Israel, Deutschland und ehemalige Sowjetunion)“, „Psychoanalytische Betrachtung von Täterschaft“, Nicht-jüdische Deutsche nach 1945: Weitergabe von Schuld und Scham, „Abwehr und Durchbruch bei „Szenischen Erinnerungen“ in den verschiedenen Generationen von Shoah-Überlebenden“.

In der zuletzt genannten AG ging die Psychoanalytikerin Dr. Tamara Fischmann (SFI, Frankfurt) unter dem Titel „Traum und Trauma“ auf aktuelle Traumforschungsergebnisse ein und meinte, dass es unterschiedliche Träume und Alpträume gäbe. Träume können Probleme lösen, Konflikte ansprechen, Affekte regulieren, traumatische Erfahrungen verarbeiten und das innere Selbst strukturieren und reorganisieren.
Man wisse heute, dass das Zähneknirschen eher im leichten Schlaf und Bettnässen und Schlafwandeln im Tiefschlaf geschehe.
Alpträume in der Rem-Phase seien kontrollierbar und würden zur Regeneration des Wohlergehens dienen. Sie seien auch der Hüter des Schlafs, denn sie verhelfen, archaische Ängste zu symbolisieren.
Alpträume in der Non-Rem-Phase seien hingegen unkontrollierbar. Wie bei einem psychotischen Schub werde der Träumer von Gefühlen überflutet, er wache schlagartig auf und könne danach nicht mehr einschlafen.
Frau Fischmann ging noch auf die Fähigkeit, sich auf gute innere Objekt-Repräsentanzen zu besinnen ein. Menschen, die positive haltgebende Erfahrungen in ihrer frühen Kindheit gemacht haben, können später mit Traumatisierungen besser umgehen, als Menschen, die auf diese positiven inneren Objektrepräsentanzen nicht zurückgreifen können.

Den abschließenden Vortrag hielt die Soziologin, Biographieforscherin und Mitinitiatorin der Tagung Frau Prof. Lena Inowlocki mit dem Titel „Generationenarbeit“ an der Erinnerung. Familien ehemaliger Jewish Displaced Persons in Westeuropa“.
Sie arbeitet ebenfalls im Storytellingprojekt von Dan Bar-On mit und meinte gleich zu Beginn, dass sie es sinnvoll fände, wenn analog dem israelisch-palästinensischen Schulbuch ein Geschichtsbuch aus Sicht der Opfer und Täter der Shoah entstehen würde. In ihrem Vortrag ging sie auf die Generationenarbeit als szenische Erinnerung ein. In dem Moment, wo Kontinuität hergestellt werde, könne die traumatische Fragmentierung aufgehoben werden.
Lena Inowlocki meinte, dass die Brüche und das Schweigen durch Präsenz, Interesse und dem Wunsch, sich mitzuteilen, überwunden werden könnten.  Andererseits werde, da wo geschwiegen werde, z.B. wegen einer Nazi-Täterschaft, die Generationenarbeit verhindert.
Dies waren bittere und traurige Worte zum Abschied und nachdenklich ging jede und jeder nach Hause.

Es gab aber noch einen Nebenschauplatz, der in den Tagen schon besprochen, aber auch danach noch in seinen Ausmaßen zunahm.
Die Ehefrau des Mitinitiators der Tagung Kurt Grünberg, die im Iran geborene Frau Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, die parteipolitisch bei den Grünen in Frankfurt aktiv ist, wurde und wird zur Zeit von Antisemiten und Rechtsradikalen bedroht. Sie hatte am 07. November im Rahmen einer Diskussion um einen Moscheebau in Frankfurt gesagt, dass „ein Anteil von 40% Migranten in Frankfurt eine Tatsache sei. Wem das nicht passe, der könne ja woanders wohnen“. Seither werden sie und mittlerweile auch Kurt Grünberg übers Internet einer antisemitischen Hetzjagd ausgesetzt, mit offenen Morddrohungen, so dass das Ehepaar Polizeischutz erhält. Der Stadtverordnete der Grünen Uwe Paulsen hat einen Aufruf aufgesetzt, die alle Demokraten auffordert, Bestrebungen entgegen zu treten, die die Menschenwürde missachten. Bisher (FR S.D5 vom 24.11.07) haben 300 Menschen den Aufruf unterzeichnet.

Erwähnt sei auch noch die kritische Führung durch die Ausstellung „Von der Grüneburg zum Campus Westend“, welche von StudentInnen durchgeführt wurde (www.igf.ini.joyrebel.net). Wir erfuhren, dass entgegen der Behauptung in der Ausstellung, die Firma IG-Farben schon seit 1933 mit den Nazi-Diktatoren zusammengearbeitet hat und ihre Produktionen und Produktionswerkstätten mit dem NS-Regime abgesprochen hat.

Hamburg, den 24.11.07             Dr. Isolde de Vries (DGIP)


Weitere Informationen sind zu finden unter:
www.simund-freud-institut.de

www.fritz-bauer-institut.de

www.stiftung-evz.de

www.szenische-erinnerung-der-shoah.de

Prof. Christina von Braun: www.culture.hu-berlin.de

Malte Ludin: www.2oder3dinge.de

Alexandra Senfft: http://www.ullsteinbuchverlage.de/claassen/buch.php?id=9772&page=termine&sort=&auswahl=isbn&pagenum=2&PHPSESS ID=9dab2eed3bdec31cd345047b3dce5190

Neve Shalom: http://nswas.org

PRIME: http://vispo.com/PRIME/index.htm

Jüdische Allgemeine vom 22.11.07, S. 13: „Trauma der Erben“ von Viola Roggenkamp
Frankfurter Rundschau S. D5 vom 24.11.07: „Ermittlungen gegen antisemitisches Internetforum eingestellt“ von Susanne Schmidt-Luer

 

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